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Le roman de la prostituée, une modernité littéraire oubliée

Marjorie Rousseau-Minier


Seiten 311 - 320



Der vorliegende Essay untersucht ein aufschlussreiches Subgenre des modernen Romans im ausgehenden 19. Jahrhundert, den Prostituiertenroman, der in der Forschung zu Unrecht meist als eine zweitrangige literarische Textsorte betrachtet wurde. Letztere avancierte indessen in den 1880er Jahren zur Speerspitze einer neuen Ästhetik, die einer zu wenig beachteten romanischen Moderne den Weg bereitete. Diese ist Gegenstand der vorliegenden Studie, die sich auf ein relevantes Corpus von französischen und spanischen Autoren stützt. Seit der Publikation ihrer Romane über Prostituierte versehen Autoren wie Joris-Karl Huysmans, Edmond de Goncourt, Emile Zola, Pérez Galdós und López Bago ihre Werke mit einem kritischen Paratext, um den Bruch mit der traditionellen Weise des Romanschreibens zu indizieren. Sie weigern sich, erbauliche Geschichten zu verfassen, und bevorzugen es stattdessen, ihre Beobachtungen auf die zeitgenössische Realität zu richten, die sie umgibt. Mit ihrer Wahl der Prostituierten als Protagonistin bekräftigen sie ihre Ablehnung der Idealisierung und konzentrieren sich auf eine Figur, die die Absenz und den Mangel verkörpert sowie den paradoxen Zustand des Todes im Leben. Wie die hier diskutieren Texte von französischen und spanischen Autoren zeigen, lanciert jenes Genre eine neue, modernetypische Ästhetik und stellt dabei zwei Grundannahmen des Romanschreibens seit den pikaresken Anfängen der Gattung in Frage: die Entwicklung der Charaktere und die Entfaltung der Intrigen, und kündigt so bereits die Dekonstruktion der Figuren im Roman des 20. Jahrhunderts an.

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